Radlerin, Carretera Austral,Chile, Südamerika

DAS ENDE DER SCHOTTERPISTE UND NEUE BEKANNTSCHAFTEN

Nur schwer quälen wir uns am anderen Morgen aus den warmen Schlafsäcken. Wieder einmal erwartet uns ein verregneter, patagonischer „Sommertag“. Das legt sich ganz schön aufs Gemüt, doch nachdem die Räder erst einmal gepackt sind, haben wir unseren Rhythmus schnell wieder gefunden. Nach kurzer Zeit passieren wir tatsächlich die versprochene Hosteria, doch in unserem Zelt war ebenso gemütlich und vor allem kostenfrei. Nach einer steilen Bergetappe, wo wir die Räder z. T. schieben müssen, weisen immer mehr Schilder auf die hier stattfindenden Straßenarbeiten an der Carretera Austral hin. Tatsächlich verschwinden nun die „fahrradunfreundlichen“ Steine und machen einer schönen, festen Sandpiste Platz. Kurz vor dem Ort Villa Amengual treffen wir auf die ersten asphaltierten Abschnitte. Voller Freude genießen wir die angenehme Fahrt und betrachten den uns umgebenden dichten Urwald.

Lago Las Torres

 

Im Ort Amengual angekommen, lassen wir unsere nassen Sachen am Ofen eines Restaurants trocknen und trinken einen Kaffee. Danach frischen wir in einem teuren Supermarkt unsere Vorräte auf. Dabei stellt sich die Suche nach Brot als schwierig heraus. So werden wir von einem Haus zum anderen geschickt und meist rüde abgewiesen. Schnell verlassen wir diesen ungastlichen Ort. Nach wenigen Metern erreichen wir am Ufer des Lago Las Torres den Zeltplatz der Conaf Station, wo wir unser Zelt unter einem Vorstand aufbauen.

Am nächsten Tag erwartet uns leider zunächst doch wieder Schotterstrasse. Doch die nette Señora des Campingplatzes macht uns Mut: nach etwa 30 km, kurz vor dem Ort Mañihuales, beginnt wieder Asphalt, der sich bis nach Coyhaique erstreckt. Überhaupt wird in dieser Region gerade sehr viel in den Ausbau der Carretera Austral gesteckt und in ein paar Jahren wird sie wohl fast vollständig asphaltiert sein. Wir sind zwar froh über jeden geteerten Abschnitt, doch überlegen wir auch, dass wohl damit viel vom Abenteuer und Flair dieser „Traumstraße“ verloren gehen wird. Noch sind es nur wenige, „verrückte“ Radler, die sich hier begegnen.

 

Einen dieser „Weggefährten“ treffen wir am frühen Nachmittag. Bei einer kurzen Pause drehe ich mich um und sehe einen Radler hinter uns. Unter den neugierigen Blicken der vorbeifahrenden LKW- und Busfahrer unterhalten wir uns. Luc kommt aus Belgien und hat schon mehrere Biketouren gemacht. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und radeln gemeinsam weiter. Zu dritt und uns gegenseitig motivierend bringen wir so eine heftige Geröllstrecke hinter uns. Überall liegen riesige Steine wie Murmeln verteilt und es fällt schwer, das Rad mit den vielen Gepäcktaschen sicher zu navigieren. Hochkonzentriert fahren wir, um jeden Zentimeter kämpfend, vorwärts. Mit von der Anstrengung schmerzenden Armen erreichen wir endlich den ersehnten Asphalt und sind wie in eine andere Welt versetzt. Auf gut ausgebauter, zweispuriger Straße geht es nun zügig voran. Den Wegesrand säumen Lupinen, die in allen Lila- und Rosatönen leuchten. Ihr zahlreiches Vorkommen ist den vielen Waldbränden geschuldet, die hier dazu dienten, schnell und einfach möglichst viel Weidefläche für die Viehwirtschaft zu erhalten. Abgesehen von den vielen toten Baumstümpfen sind wir ganz verzaubert von dieser Landschaft und auch die Sonne lässt sich endlich mal wieder blicken. Mit zum Teil heftigem Gegenwind erreichen wir nach einer schönen und langen Talfahrt am späten Nachmittag den Ort Mañihuales. Hier nehmen wir uns zusammen ein Hostelzimmer und verbringen den Abend bei einem kühlen Bier.

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