Cerro Castillo

TREKKINGTOUR ZUM CERRO CASTILLO

Nachdem wir uns ein paar Tage in Coyhaique ausgeruht haben, entscheiden wir uns heute, unseren Weg ohne die Fahrräder fortzusetzen. Es war eine tolle Erfahrung, ein Stück der Carretera Austral auf diese Art zu bereisen, und wir schauen Luc und Judith, die sich mit ihren Rädern weiter Richtung Süden aufmachen, schon ein wenig wehmütig hinterher, doch es ist die richtige Entscheidung. Besonders mich hat die anstrengende Fahrt auf den vielen Schotterpisten ziemlich mürbe gemacht und so lassen wir unsere Räder in der Obhut der Herberge und schnallen unser nun erheblich leichteres Wandergepäck um. Unser nächstes Etappenziel heißt „Cerro Castillo“, ein Wandergebiet südlich von Coyhaique.

Früh am nächsten Morgen klingelt der Wecker und nach einem kurzen Frühstück stehen wir noch etwas schlaftrunken an der Bushaltestelle. Hier sind wir nicht die Einzigen, die mit viel Gepäck reisen. Der Busfahrer hat alle Hände voll zu tun, die vielen Taschen, Kisten und Kartons unterzubringen. Aber wir kennen das ja schon und nehmen es eher gelassen, wohl auch weil wir diesmal „nur“ die Rucksäcke dabei haben. Diese werden schließlich auf dem Dach des Busses festgeschnallt und los geht es über den Pass von „Puerto Ibañez“ in das Dorf Cerro Castillo.

Hier angekommen stärken wir uns für den bevorstehenden Anstieg mit Käsebroten und Apfel und laufen los. Gleich begrüßt uns wieder ein alter Bekannter: „der Regen“. Noch im Dorf treffen wir auf das erste Hinweisschild mit der Aufschrift „Sendero de Chile“. Dieses Projekt, einen kompletten Wanderweg durch Chile zu erbauen, wird wohl noch ein paar Jahre dauern, wenn es überhaupt realisierbar ist. Doch für uns ist dieses Schild der Ausgangspunkt unserer Tour durch das „Reserva Nacional Cerro Castillo“, wo wir unterhalb von diesem, wie ein Schloss thronendem Bergmassivs wandern wollen. Bald erblicken wir das Flussbett des Río Ibañez, dem wir nun eine Weile folgen.

Mit den schweren Rucksäcken kommen wir nur langsam voran und das regnerische Wetter hebt auch nicht gerade unsere Stimmung. Nachdem wir mehrere Viehgatter durchquert haben, halten wir auf eine Farm zu. Von weitem kommen uns zwei laut bellende Hunde entgegen. Wütend knurren sie uns an. Nico zückt gleich einen Stock und so trauen sie sich zum Glück nicht näher an uns heran. Gleich hinter der Farm geht es nun immer steiler bergan, vorbei an den rauschenden Wassern des „Estero Parada“ und wir merken das Gewicht der Rucksäcke doppelt so stark. Da das Wetter immer schlechter wird und wir den Anstieg zum Campamento Nueva Zelandes heute wohl nicht mehr schaffen, entscheiden wir uns auf der sandigen Moräne zu kampieren. Im Nieselregen bauen wir das Zelt auf und schlüpfen gerade noch rechtzeitig vor dem einsetzenden Wolkenbruch in unsere Schlafsäcke. Leider ist damit auch die Sicht auf die Bergspitzen des „Cerro Castillo“ von dicken Wolken verhüllt und so schlafen wir dann auch schnell ein.

Frau beim Wandern,Reserva Nacional Cerro Castillo,Chile

 

Am nächsten Morgen sind wir, aufgrund des trüben Wetters, zunächst etwas demotiviert, wollen schon fast unsere Sachen packen und umkehren, da begegnet uns eine Truppe von sechs Wanderern, ebenfalls auf dem Weg zum „Cerro Castillo“. Dies ist uns Ansporn genug und wir machen uns wieder auf den Weg. Auch das Wetter ist mittlerweile – für patagonische Verhältnisse – vielversprechend; es regnet zumindest nicht. Wie sich herausstellt, stammt die Wandergruppe auch aus Deutschland und so steigen wir gemeinsam weiter hinauf. Bald reduziert sich die Sicht jedoch wieder auf wenige Meter, der Regen setzt wieder ein und wir stehen inmitten eines dichten Märchenwaldes. Auf einem wunderschönen Waldweg geht es nun immer steiler bergan, wobei wir immer wieder kleinere und größere Bachläufe überqueren.

Nach einer kleinen Pause lichtet sich plötzlich der Wald und das Campamento Nueva Zelandes ist erreicht. Hier, zwischen den letzten Bäumen eines Talkessels, umgeben von schneebedeckten Berggipfeln, bauen wir unser Zelt auf. Gerade noch rechtzeitig flüchten wir vor dem einsetzenden Schneeregen in das Innere und wärmen uns mit heißem Kakao auf. Wir müssen wohl ein wenig eingeschlafen sind, denn plötzlich hören wir neben uns Stimmen. Neben weiteren Wanderern, die hier ihre Zelte aufgebaut haben, kochen sich in direkter Nachbarschaft drei Israelis warmen Tee. Wir kommen mit ihnen ein wenig ins Gespräch. Sie wollen hier nicht übernachten und bald wieder umkehren. Ob sie der Graupelschnee wohl abgeschreckt hat? Jedenfalls wünschen wir ihnen viel Glück und winken zum Abschied.

Warten auf schöneres Wetter, so lautet wohl unser Plan für die nächsten Tage. Leider haben wir dabei kein Glück und so verlassen wir nach zwei Tagen Dauerregen und Kälte – leicht fluchtartig – das Bergmassiv. In ein oder zwei kleinen Regenpausen war es uns vergönnt einen kurzen Blick auf die herrlichen, spitz gezackten Türme des Bergschlosses, wie die Übersetzung lautet, zu erhaschen. Mit kalten Fingern packen wir das nasse Zelt und machen uns auf bekannten Pfaden zurück ins Dorf. Hier hoffen wir noch den letzten Bus nach Coyhaique zu erreichen, doch falsch gedacht. „Ocupado – Alles voll“. Wohl oder übel müssen wir auf den nächsten Bus warten, der erst am anderen Tag fährt. Dass wir hier nun übernachten müssen, freut wohl nur die Besitzerin der einzigen Herberge.

Dann soll es nun wieder zurück nach Coyhaique gehen. Doch je näher die Stunde der Ankunft des Busses rückt, umso mehr Gedanken machen wir uns, ob wir auch wirklich mitkommen. Zusätzlich entmutigt von der Aussage der Hotelbesitzerin, dass die Busse häufig schon voll sind, wenn sie im Dorf eintreffen, versuchen wir unser Glück lieber per Anhalter. Gleich beim ersten Auto haben wir Glück und verlassen zu den Klängen von Abba den „Parque Nacional Cerro Castillo“. Wie zum Hohn erscheinen seine Gipfel und die der umlegenden Andenberge in strahlendem Sonnenschein. Doch wir wissen nur allzu gut, wie schnell sich das Wetter in diesen Gefilden ändern kann.

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