Pünktlich stehen wir am anderen Tag an der Anlegestelle der Fähre hinüber ans chilenische Festland. Hier warten bereits mehrere Autos und Reisende, an Bord gehen zu dürfen. Bald sind wir nicht mehr die einzigen Radler; zu uns gesellt sich Sedrik aus der französischsprachigen Schweiz. Er hat bereits im Jahr zuvor die Carretera Austral befahren und erzählt uns, wie schön die Landschaft, aber auch wie anstrengend die Route ist. Mit einer kurzen Verspätung von „nur“ zwei Stunden, startet die Fähre schließlich und wir befahren die ungewöhnlich seichten Wasser des „Golfo Corcovado“. An Bord gibt es einen Aufenthaltsraum, in dem wir es uns gleich gemütlich machen und mit anderen Reisenden ins Gespräch kommen. Bald entdecken wir am Horizont die ersten Andengipfel und Häuser der Hafenstadt Chaiten. Sie ist für uns Startpunkt der Carretera Austral, da die Fähren nach Hornopiren, dem eigentlichen Beginn dieser Straße, nur im Januar und Februar fahren.
Nach etwa dreistündiger Fahrt erreicht unsere Fähre von Quellon aus die Anlegestelle bei Chaiten. Hier wollen wir zunächst für ein paar Tage unterkommen, bevor dann die Räder für die Carretera Austral gesattelt werden. Bereits in Quellon haben wir ein Zimmer in einem Hostel reserviert. Auch wenn dieses von außen klein erscheint, so überrascht es den Besucher im inneren mit hellen und großen Räumen, die den Blick auf den nahen Rio Blanco freigeben. Originell und individuell eingerichtet, fühlen wir uns hier gleich wohl und auch die Verwalterin, Henrietta aus Berlin, ist uns gleich sympathisch.
Bei einem gemeinsamen Frühstück am anderen Morgen erzählt sie uns von ihrem Leben als Künstlerin und ihren vielen Reisen. Sie fertigt wunderschönen, handgemachten Schmuck, den sie unter anderem im Hostel zum Verkauf anbietet. Später am Tag entscheiden wir uns, eine Wanderung durch den dichten Urwald um Chaiten zumachen. Direkt hinter dem Hostel startet der Weg entlang des Flusses und führt uns schließlich immer weiter hinein in den dichter werdenden, grünen „Dschungel“. Wir begegnen nicht nur seltsamen, kaum scheuen Vögeln, sondern staunen auch über die mit dichten Moosen und Farnen überwucherten Bäume.
Am Abend genießen wir, als einzige Gäste, die gemütliche und entspannende Atmosphäre im Hostel und plaudern noch lange mit Henrietta. Am anderen Tag entscheiden wir uns, angesichts des regnerischen Wetters, noch einen weiteren Tag in Chaiten zu verbringen. Die Stadt selbst haben wir bereits gestern besichtigt – sie versprüht mit ihren staubigen Schotterstrassen und den kleinen Holzhäusern Wildwestcharme – und so machen wir heute einen Ausflug zu den Thermen von Amarillo. Hier, in über 40 Grad heißem Wasser, lässt es sich sogar bei Dauerregen aushalten. Nach einem ausgiebigen Bad lauschen wir im Minibus von Nikolas, dem aus Kanada stammenden Tourguide, den Klängen der „charango“ – einer Art Miniaturgitarre -, welche er meisterhaft und mit so viel Freude zu spielen versteht. Am Abend bereiten wir alles für den Start unserer morgigen, ersten Etappe auf der Carretera Austral vor und kochen ein letztes Mal gemeinsam mit Henrietta.